Logo ADFC01KontaktImpressum
Wir treten für Radfahrer ein, tretenSie mit!
Logo ADFC02 Fahrraeder



  c
Startseite

Radtouren '03

Radrouten
Radurlaub

Geschäftstelle
Mitglied werden
Verein

Nützliche Links
Landesverband
Bundesverband


 

 

 

Eine Radtour entlang der Romantischen Straße

Allgemeine Bemerkungen zur Tour
Die Radtour "Romantische Straße" ist eine bestens ausgearbeitete, gut ausgeschilderte Radroute über rund 420 km von Würzburg nach Füssen. Das Verkehrsamt Dinkelsbühl hat sich in beispielhafter Weise um dieses Projekt verdient gemacht und Informationsmaterial ausgearbeitet, welches es jedem Typ von Radwanderern leicht macht, sein "Paket" zusammenzustellen. So schickt das Amt auf Anfrage postwendend gute Prospekte zu, die aus einer detaillierten Routenaufstellung mit Geländeprofil und ausführlichen Informationen über Sehenswürdigkeiten an der Route, Unterkünften und Kulturangeboten bestehen. Man kann die Tour organisiert mit Gepäcktransport, fest gebuchten Quartieren und Bus-Rückreise zum Ausgangsort durchführen, in umgekehrter Richtung ebenso, wie wunschgemäß sich auch für einzelne Tagestouren entscheiden. Man kann Räder ausleihen, allerdings ist man wohl mit seiner eigenen Ausrüstung am besten bedient, ein Ehepaar, das wir unterwegs trafen, hatte Schaltungsschaden gehabt und dadurch viel Zeit verloren. Sie hatten dann Nabenschaltungen gewählt. Man kann die Tour auch in Gruppen organisieren lassen. Wir wählten die individuelle Tour, hatten unser Gepäck dabei und stützten uns nur auf die ausgiebige Auflistung der Hotels und Pensionen aller Preislagen (ab 30.- bis 45.- DM je Nacht und Person) , um unsere Unterkünfte auszuwählen. Diese sind so zahlreich, daß es uns sogar in Rothenburg ob der Tauber nicht schwerfiel, unangemeldet, allerdings Ende September, Quartier zu bekommen. Für Augsburg und Füssen hatten wir vorbestellt, um nicht lange suchen zu müssen. Die Radwege selbst gehen nur zu einem kleinen Teil, insgesamt schätzungsweise insgesamt 20 km an belebten Bundesstraßen entlang, sonst abseits auf ruhigen Straßen oder zu 80% auf guten bis sehr guten Radwegen durch die lieblich Landschaft. Die Route nutzt andere Radwege, wie "Liebliches Taubertal", die "Königlich Bayerische Radtour", den "König- Ludwig-Weg" oder den "Main-Donau-Bodensee-Weg", aber das Zeichen des Weges "Romantische Straße" ist überall zusätzlich angebracht. Dreimal haben wir uns wegen einer fehlenden, einer übersehbaren oder nicht eindeutigen Markierung verfahren, eine eigene Routenkarte am Rad erleichtert hilfreich die Orientierung, wenn so etwas passiert. Es genügte uns eine geeignete Kopie aus einem Autoatlas 1:150 000, die jede Tagestour auf einem Blatt enthält und auf der man sich außerdem gegebenenfalls Eintragungen für die spätere Erinnerung machen kann. Alle Unterkünfte, die wir anliefen, hatten verschließbare Garagen als Unterstellmöglichkeit für die Räder.
Wir hätten auch unabhängig von unserer Individualtour Bustransport nach Würzburg zurück buchen können, zogen aber zum Wochenende den billigeren Bahntransport auf das "Schönes-Wochenende- Ticket" vor. Hier mußten wir allerdings die Räder bei zweimaligem Umsteigen Bahnsteigtreppen auf und ab tragen, da es auf den doch schon alten Bahnhofsanlagen keine Rollgelegenheiten am Rande der Treppen gibt - eine Kritik an dieser Stelle an die Bahn.

Anreise zum Startort Würzburg
Wir hatten uns telefonisch vorher ein Zimmer im Würzburger Hotel Jägerruh bestellt, um nicht so lange in der Stadt suchen zu müssen und zum anderen sicher zu gehen, daß wir das Auto, mit dem wir angereist sind, für die zehn Tage, die wir unterwegs sein wollten, wohlbehütet abstellen können. Die "Jägerruh" entpuppte sich als das lauteste Hotel der Stadt, da es sich, früher einmal am Stadtrand gelegen, heute an einem Hochstraßen-Kreuzungspunkt des Stadtringes befindet. Der Anreisetag diente noch einem ausgedehnten Stadtbummel durch das im Krieg total zerstörte Stadtzentrum. Die Stadt selbst glänzt durch ihre wieder errichteten Kulturbauten, das Residenzschloß und die alte Marienbrücke mit Blick zur Festung Marienberg und dem Käppele, weniger durch die Nachkriegsbebauung der Geschäftsstraßen. Der Main führte Hochwasser und brachte allerhand Bäume und anderen Unrat zu Tale. Trotzdem paßt ein riesiges niederländisches Flußkreuzfahrtschiff gerade so in die Schleuse hinein. Kann es sonst denn den schwimmenden Hindernissen aus dem Weg gehen?

Erster Tag: Würzburg- Tauberbischofsheim, 42 km
Der erste Tag beginnt gleich erst einmal mit grau verhangenem Himmel, es beginnt heftig zu regnen und der Wetterbericht stimmt einmal mit dem Wetter mit böigem, starkem Westwind überraschend überein! Wir spannen die Regenumhänge auf, aber sie werden zu Bremsen gegen den Wind. Man müßte kreuzen können, da wäre es hinauf zur Frankenhöhe nicht so schwer zu fahren! Endlich am Stadtrand wird es ruhiger um uns herum, wir sind auf ruhigem Radweg auf freier Flur, wo uns der Regen aber so richtig von der unangenehmensten Seite nämlich genau von vorn ins Gesicht peitscht. Die Füße werden langsam naß und kalt, man muß bergabwärts sogar treten, so stark ist der Gegenwind. Eine jetzt im Herbst geschlossene Waldgastsätte kommt uns wie gerufen für die Mittagsrast, ein größeres Schutzdach schützt uns wenigstens beim Essen vor Regen und der Wald vor dem Wind. Doch wir müssen weiter und die Fahrt durch sonst sicher reizvolle Landschaft abwärts ins Taubertal wird zum Prüfstein der Urlaubsstimmung! Sollten wir die Fahrt abbrechen müssen, wenn es weiter so kalt, naß und windig bleibt? Im Taubertal können auch die Bischofsstatue auf der alten steinernen Tauberbrücke und der Radweg "Liebliches Taubertal" die Stimmung nicht so recht heben. Als dann mitten im Regen noch der Radweg von einer Baukolonne mit einem öligen Haftgrund bearbeitet wird und wir uns ohne Vorwarnung bösartig vollspritzen, ist das Maß voll! Zum Glück bricht in Tauberbischofsheim die Sonne durchs Gewölk und ein Hotel im folgenden Ort Dittigheim gibt uns warmen und gemütlichen Unterschlupf. Die Idee, zum Abendessen noch einmal nach Tauberbischofsheim zurück zu radeln, wurde durch einen neuerlichen Regenguß vereitelt. So kam es, daß wir das erste hübsche Fachwerkstädtchen an der Tauber nicht näher bestaunen konnten. Wir trockneten unsere Sachen.

Zweiter Tag: Rothenburg ob der Tauber, 72 km
. und packten die Regensachen in die Packtaschen, denn heute sieht das Wetter freundlicher aus und der Wetterbericht verspricht ab jetzt einen schönen Altweibersommer! Und er stimmte, denn ab jetzt gibt es keinen Tropfen Regen mehr auf der ganzen Tour. Bevor wir nach gemütlichem Frühstück auf Tour gehen, besuchen wir noch den Störenfried der letzten Nacht, die nahe St.Vitus-Kirche mit ihrem prachtvollen Balthasar-Neumann-Barock. Ja, wir sind in katholischem Ländle, wo der Gläubige viertelstündlich an seine religiösen Pflichten erinnert wird und zur vollen Stunde, besonders nachts 12 Uhr das maximale Geläut herabdröhnt. Wir werden es ertragen müssen, aber wir kommen auch wieder ins evangelische Franken, wo man einsichtiger mit den Menschen ist. Der erste Ort, an dem wir anhalten, ist Bad Mergentheim mit seinem Deutschritter-Ordensschloß und gepflegten Kuranlagen. Die Fachwerkarchitektur macht uns neugierig auf weiteres und jedes Städtchen im Taubertal und auch weiter Richtung Donau überrascht uns mit seinen gepflegten Fachwerkhäusern aus dem Mittelalter. Mittagsrast machen wir im sonnigen Schloßpark des Hohenloher Stammschlosses in Weikersheim. Es gibt als Vitaminstoß gefallene Äpfel und aufgelesene Walnüsse als Zubrot. Zwischen Röttingen, der Stadt der etwa 30 Sonnenuhren und Creglingen fahren wir auf einem neuen Radweg auf altem Bahndamm und genießen den Blick auf die Tauberauen von oben. Rothenburg ob der Tauber empfängt uns mit einem etwa 100 m hohen Aufstieg - das gut befestigte alte Städtchen liegt für uns noch unsichtbar auf der Höhe. Es war uns schon aufgefallen, daß die Romantische Straße in Deutsch und Japanisch(!) ausgeschildert ist, aber nun wird uns auch das schlagartig klar, als wir die vielen japanischen Touristen in den Gassen sehen und später beim Rundgang auf der Stadtmauer, wo sich viele von ihnen als Sponsoren im alten Wehrgang verewigen ließen. Die Stadtmauer ist meterweise an sicher wohlhabende Interessenten aus aller Welt verpachtet, um die notwendigen Mittel zur Erhaltung der "schönsten Stadt" Deutschlands einzufahren. Eine gute Geschäftsidee der Touristikbranche! Am Abend ist die Stadt märchenhaft schön erleuchtet und Läden und Gaststätten sind gut besucht. Die besten Geschäfte macht aber sicher das ganzjährige Weihnachtsunternehmen der aus dem Erzgebirge stammenden Käthe Wohlfahrt, denn besonders die Japaner sind das ganze Jahr über aufnahmefähig und andenkenhungrig.

Dritter Tag: Dinkelsbühl, 52 km
Nach dem guten Frühstück in der Pension "steigen" wir vorsichtig bremsend durch eines der vielen schönen Tore hinab ins Taubertal, denn es geht steil über altes Kopfsteinpflaster abwärts zur steinernen Doppelbrücke, durch deren Bogen man den schönsten Fernblick hinauf zur vieltürmigen Stadt hat. Die Fahrt durch das immer enger und uriger werdende Taubertal endet kurz hinter Rothenburg bereits, wo sich unsere Route hinauf (etwa 150 Höhenmeter) über die Autobahn A7 hinweg nach Schillingsfürst zur europäischen Hauptwasserscheide wendet. Bald erreichen wir über den ruhig und friedlich wirkenden Höhenrücken mit seinen saftigen Viehweiden, den ruhenden Rindern und lieblichen Auen das Quellwasser der Wörnitz, deren Verlauf wir nun bis zu ihrer Mündung in die Donau folgen werden. Eine sonnige spätsommerliche Idylle breitet sich vor uns aus. Bis nach Feuchtwangen müssen wir noch einmal aus dem weiten flachen Tal heraus, aber es lohnt sich, der Stadt und ihren beiden Kirchen einen kurzen Besuch abzustatten. Eine kuriose Entwicklung gibt es hier zu beobachten: die klösterliche Anlage mit Kreuzgang und ihre benachbarte zweite Kirche sind evangelisch geworden, der Kreuzgang beherbergt sogar ein Kaffeehaus, während auf dem anderen Ufer der Sulzach eine neue moderne katholische Kirche als Zeichen des wieder gewachsenen katholischen Glaubens hier in der Region steht. Kurz vor Dinkelsbühl wählen wir einen gemütlichen Gasthof als Quartier, denn wir sind heute schon genug geradelt und müde von den vielen Eindrücken an der Strecke. Nach Abruhen und einem aufbauenden Kaffee sind wir aber wieder fit und fahren jetzt leicht und beschwingt ohne Gepäck hinein nach Dinkelsbühl, das uns ebenfalls wieder eine fast vollständig intakte Stadtmauer, stattliche Bürgerhäuser aus Renaissance und Barock und - ein fünfstöckiges Fachwerkhaus aus dem Jahre 1440(!) präsentiert. Im Restaurant gibt es Zwiebelkuchen und Federweißer und vorwiegend pommes-essende Japaner. In der Schranne, dem allerorts als Festsaal ausgebauten alten Getreidespeicher, geht es richtig rund bei Bier und Wein und fröhlicher Live-Musik. Als die Stadtbeleuchtung die warme Abendsonne schon längst ersetzt hat und alle Türme und die schönsten Häuser angeleuchtet werden, verlassen wir das Städtchen in Richtung unseres Gasthofes auf dunklem Radweg. Rückblickend verschwindet die Märchenstadt hinter gespenstigen Bäumen der Wörnitzauen.

Vierter Tag: Nördlingen, 40 km
Der Gasthof war so ruhig und die nahe Kirche evangelisch, so daß wir bis acht Uhr schlafen können, um nach dem ausgiebigen Frühstück nochmal dem morgendlichen Dinkelsbühl zuzustreben, wo wir von anderen startenden Radlern mit dem Ruf begrüßt werden: "Wo kommen die denn schon her?" Die morgendliche Stadt hat auch ihre Reize, wenn man die Geschäfte quasi mit eröffnet und der Geschäftsinhaber die japanischen Touristen in ihrer Sprache nach ihren Wünschen fragt, ja man hat es eben einfach drauf, auch die Auslagen und Aufsteller vor den Geschäften in Japanisch zu beschriften. Wir queren kurz hinter der Stadt aus dem Wörnitztal herausfahrend den Limes, der hier als Teufelsmauer bezeichnet wird und noch mit Resten von Wachtürmen aufwarten kann. Durch dichte Laubwälder müssen wir jetzt ein paar steilere Straßenstücke die Räder schieben, da es über den Kraterrand des Nördlinger Rieses, dem Einschlag eines Meteoriten aus früherer Erdgeschichte geht. Der Krater hat etwa 25 km Durchmesser, ist vom fruchtbaren Ackerboden des Kratersees bedeckt und gesäumt von Schlössern und Burgen der Fürsten von Oettingen-Wallerstein, die sich dieses einmalige Terrain zu ihrem Eigentum gemacht hatten. Das Schloß Wallerstein auf kalksteinernem Felsrücken ist eine staufische Gründung Barbarossas und das Zentrum des einstigen Fürstentums. Mitten im Ries erreichen wir Nördlingen, dessen 90 m hoher "Daniel" fahnengeschmückt von Festlichkeiten im Ort kündet und tatsächlich "reiten" wir in die 1100-jährige Stadt durch ein landsknecht-bewachtes Stadttor und drängen uns mühsam durch dichtes Getümmel zu Fuß zu unserem Hotel durch, bevor wir uns von diesem aus wieder ins bunte Markttreiben stürzen, mit dem Fußvolk essen und trinken, um den Trubel schließlich noch vom Daniel, dem Kirchturm der Stadt aus zu betrachten. Der Türmer Lothar auf diesem Turm gab uns Grüße an unseren heimischen Türmer mit. Er hatte uns sofort, als wir sagten, daß wir zu Hause auch einen Türmer haben, als Chemnitzer erkannt, da es ja nicht mehr so viele Türmer in Deutschland gibt und man kennt sich untereinander. Die Nacht war unruhig, da man bis in die frühen Morgenstunden hinein feierte!

Fünfter Tag: Donauwörth, 42 km
Der strahlende Sonnenschein tröstet uns über die kurze Nacht hinweg, da außer dem feiernden Völkchen auch am frühen Morgen beim benachbarten Metzger Schweine zum Schlachten angeliefert wurden. Sie waren erst gegen 7 Uhr endgültig verstummt. Aus der Stadt heraus bekommen wir einen recht straffen Gegenwind aus SO zu spüren, der uns bis zum heutigen Ziel ganz schön zusetzt. Es geht durch Felder und Weiden an bloßliegenden Kalksteinformationen vorbei, bis wir feststellen, daß wir doch ein Radwegzeichen übersehen haben, aber die Kalksteinflora der Schwäbischen Alb und des nahen Naturparks Altmühltal hatte uns so begeistert, daß wir es erst merkten, als der Weg nicht mehr radwegmäßig unseren Vorstellungen entsprach. Der Umweg hatte uns durch unwegsames Gelände geführt und durch den straffen Wind und die schlechten Wege doch mehr als gebührend an den Kräften gezehrt. So waren wir froh, als wir wieder im Windschatten von Bäumen die dicht befahrene Bundesstraße 25 und damit unseren Radweg an deren Seite erreichten. Wir stießen hier auch wieder auf den Lauf der Wörnitz, die sich in ihrem Verlauf einst den Weg durch das Ries gebahnt hatte und nun hier an der ausgedehnten Wallersteinschen Harburg wieder zu unseren Füßen dahinfloß. Hier ist auch wieder der Kraterrand zu überqueren, den die Wörnitz sich selbst durchbrochen hat. Im Burghof, der heute zum Montag nicht museal eintrittspflichtig ist, rasten wir in sonnigem Windschatten zu Mittag. Gut erholt legen wir die restlichen Kilometer nach Donauwörth zurück, obwohl uns auch hier der Gegenwind hart zusetzt und uns entgegen kommende Radler laut singend, da sie ja Rückenwind haben, noch den Rest geben! Die Etappe war zwar kurz, aber wir sind froh, doch nach einigem Suchen gegenüber dem Münster der Stadt ein Zimmer zu bekommen und uns erst einmal ausstrecken zu können, bevor es wieder auf den unvermeidlichen Rundgang durch die Stadt zum Abendessen geht. Die Stadt ist zum Bummeln nicht so gut geeignet, da sich der ganze Verkehr auf der einen Hauptstraße abspielt und selbst am Donauufer keine ruhige Promenade zu finden ist. Durch die ergiebigen Regenfälle der letzten Wochen ist der Fluß stark angeschwollen und die Wörnitz bringt auch noch ein beträchtliches Maß an Wasser mit, so daß der Bau neuer Hochwasserschutztore sinnvoll erscheint.

Sechster Tag: Augsburg, 43 km
Heute geht es nun das Lechtal aufwärts, das wir bis Füssen nur kurz einmal verlassen werden. Das Tal kündet mit seiner Breite von riesigen Wassermassen, die sich beim Abschmelzen des Eises Richtung Donau durch das Land gegraben haben. Wir fahren auf dem sanften Hügelrand entlang, zu dessen Füßen sich ein zweites Flüßchen, die Schmutter, parallel zum Lech im gleichen Tale dahin schlängelt, bevor sie bei Donauwörth in die Donau mündet. Von nun an sind in allen Dörfern die hohen schlanken Zwiebeltürme der oberbayerischen Landschaft weithin sichtbar und man sieht beim Rundblick gleich mehrere von ihnen. Am Talrand erheben sich Burgen und Klöster, deren barocke Türme und Kirchen weithin im Lechtal sichtbar sind und denen wir kurze Besuche abstatten. Wir haben von der Tour aus uns für Augsburg ein Quartier bestellt, um nicht erst in der Stadt umhersuchen zu müssen. Es ist ein einfaches neugebautes Bettenhaus mit kühlem Betoncharme im Städtchen Neusäß, wozu wir aber die vorgegebene Radroute verlassen müssen, aber von dort aus nur noch sechs Kilometer zum Zentrum von Augsburg zurückzulegen haben. An dicht befahrener Ausfallstraße entlang erreichen wir am Abend die Peripherie der Stadt, tauchen dann aber in eine verkehrsberuhigte Seitenstraße ein und sind bald mitten in der Innenstadt mit dem Dom, der Hauptader, der Maximilianstraße im Verlauf der römischen Via Claudia, an der sich die Paläste der mittelalterlichen Weltstadt u.a. der Fugger und Welser, des bedeutenden Handelshauses des 15./16.Jhd., aufreihen. Das stattliche Rathaus der freien Reichsstadt im italienischen Renaissance-Stil, der danebenstehende Perlachturm und das Kaiser-Augustus-Denkmal bilden das markanteste Ensemble der Stadt. Teure Geschäfte, Budiken und Restaurants wechseln sich ab und der Abend, wenn alles beleuchtet ist, macht die Stadt noch schöner. Aber eigenartigerweise liegt die Innenstadt nicht wie bei anderen Städten am Fluß, sondern Wertach und Lech fließen weitgehend unbeachtet außerhalb der Altstadt vorbei. Nur einige Bäche und der Stadtgraben durchfließen sie, um den Wallgraben an der Stadtbefestigung zu speisen. Sicher wurde die erhöhte Lage des Stadtzentrums schon von den Römern genutzt, um vor den kräftigen Hochwassern des Flusses geschützt zu sein, denn die vielen Staustufen des Lechs regulieren erst seit jüngerer Zeit den Wasserlauf in Zeiten der Schneeschmelze aus den Alpen.

Siebenter Tag: Landsberg am Lech, 52 km
Nach gesundem Schlaf starten wir heute erst 10 Uhr und erreichen an der zum Teil erhaltenen Stadtmauer von Augsburg entlang jenseits der Berliner Chaussee die Lechstaustufe unterhalb Friedberg, an die 1972 zur Olympiade die Wildwasserrennstrecke gebaut wurde. Es ist eine imposante Anlage mit Schikanen im Strömungskanal, die durch das in diesen Tagen reichliche Hochwasser schon an wilde Gebirgsströme erinnern. Da wir durch unsere Routenänderung gestern den Weg am Lechufer entlang ausgelassen hatten, waren wir heute um so überraschter, einen so wasserreichen Fluß vorzufinden, der von hier an aufwärts seit dem Beginn des Jahrhunderts durch viele solcher Staustufen gebändigt worden ist. Friedberg, die altbaierische Herzogsstadt der Wittelsbacher lassen wir aus, da wir zur bereits vorgerückten Stunde die Steigung umgehen wollen und eine Etappe mit unsicherer Unterkunft vor uns haben, denn Landsberg am Lech bietet laut Prospekt nur Quartiere der gehobeneren Preisklasse an, so daß wir davor oder dahinter eine Unterkunft suchen wollen. Vorerst wird aber das Wetter trübe und neblig und durch das breite flache Lechtal kommt ein eigenartiges Gefühl auf, da wir uns hier im Lechfeld auf historischem Boden der Ungarnschlacht des Sachsenkaisers Otto I. befinden, nur die Kampfgeräusche sind andere, denn Phantomjäger aus dem Fliegerhorst Lechfeld ziehen unsichtbar durch den Nebel ihre Bahnen. Das Gelände wird also ununterbrochen, sogar schon seit der Römerzeit bis heute militärisch genutzt, wie wir von einem Uffz. der Luftwaffe bestätigt bekommen, der auf der Ruine Haltenburg eine Bodenübung der Soldaten betreut. Die blaue Übungshandgranate mit Reißleine am Eingang der Ruine umgehen wir sehr vorsichtig, denn man weiß ja nie! Die Verwechslung, bei der erst kürzlich eine echte Handgranate bei einer Übung hochgegangen war, käme "nur im Heer" vor, "bei der Luft" gäbe es das nicht! Sei es wie es sei, jedenfalls verließen wir die Stätte schneller als sonst und radelten über die Hochebene am Rande des Lechfeldes durch nun auch wieder sonniges Gelände dem Städtchen Kaufering zu, wo wir nach rascher Talfahrt am Bahnhof ein preiswertes Hotel finden und für diese Nacht bleiben. In Landsberg finden wir noch die Läden offen und buntes Markttreiben. Die schöne Lage der Stadt am Lechsteilhang und ihre gut erhaltene Altstadtbebauung sorgen für gemütliche Stimmung in der Abendsonne. Bald ist auch das Lechwehr, eine besonders breite kaskadenartige Stauanlage von 6-7m Höhe und natürlichem Uferpark erleuchtet, über dem sich vom westlichen Ufer aus die Kulisse der Altstadt besonders hübsch ausnimmt. Beim rustikal eingerichteten Fischerwirt am Roßmarkt schmecken der Baunzen, die Spätzle und die Maultaschen zum Braunbier nach erlebnisreichem Tag ausgezeichnet. Es ist schon ein Sport geworden, beim oder nach dem abendlichen Bummel das originellste Lokal mit den urigsten Speisen zu finden, was allerdings im gast- und gaumenfreundlichen Bayern auch nicht allzu schwer ist. Auf dem Radweg entlang der dicht befahrenen Bundesstraße gelangen wir wieder sicher zum Hotel zurück.

Achter Tag: Schongau, 54 km
Es ist heute morgen wieder kalt und nebelig und wir müssen erst ein neues Vorderradbremsseil besorgen, weil das alte gestern Abend gerissen war. Kein Problem, denn in Kaufering allein gibt es drei große Fahrradhäuser, fast mehr als Autohäuser - sollte das der Trend werden? Wir bekommen das Seil, da es ein ausgebautes ist, sogar geschenkt, noch ein Werkzeug zum Kürzen geliehen und es kann wieder losgehen. Aus dem Lechtal hinauf auf den östlichen Talrand lassen wir den Nebel hinter uns und es wird sonnig warm. An der Wallfahrtskirche Vilgertshofen ziehen wir die kurzen Hosen an, da es immer wärmer geworden ist, man spricht von Fön. In Reichling wendet sich die Straße wieder dem Lech zu und es geht in schneller Fahrt 13% abwärts nach Epfach, dem römischen Abodiacum, einem Kastell an der Via Claudia Augusta, wo aber nur noch Namen darauf hinweisen, daß es hier im altrömischen Gebiet bereits einen ersten Limes gab und der heilige Lorenz mit Kreuz und Palmwedel, als überlebensgroße Steinfigur auf der Lechbrücke darauf hinweist, daß um 250 auf dem nahen Lorenzberg durch ihn eine der ersten christlichen Kirchen Deutschlands entstanden ist. Wir haben den Berg nicht erklommen, haben also auch die Reste dieser oder einer späteren Kirche nicht gesehen. Auf genannter Via Claudia Augusta erreichen wir Altenstadt, die frühere Ortslage Schongaus mit ihrer einzigen auf bayerischem Grund und Boden erhaltenen rein romanischen Basilika. Es ist seltsam, recht viele auf den ersten Blick romanische Kirchenbauten zu finden, die sich dann schon beim Betrachten der veränderten Fensteröffnungen als barock umgestaltet erweisen und einen schließlich im Inneren in eine andere Welt versetzen, wenn pompöser Barock mit dem ganzen Wust an bayerischem Prunk und Glanz den Ursprung des Bauwerkes vergessen lassen. Hier ist also die Ausnahme, wenn ein schlichtes romanisches Kruzifix den einfachen romanischen Raum schmückt und so das ursprüngliche Ansinnen und den eigentlichen Inhalt der Religion wiedererkennen läßt. Aber in Altenstadt gibt es heute noch eine andere Attraktion: in der Franz-Joseph-Strauß-Kaserne ist auf dem nahem Übungsgelände Fallschirmspringer-Workshop(!). Was man sich alles einfallen läßt, um das Kriegspielen schmackhaft zu machen! In Wellen zu jeweils 20 Springern öffnen sich wie an der Schnur aufgereiht ebensoviele Fallschirme aus einer Transportmaschine. In der Nachmittagssonne ist das ein nettes Schauspiel. Das schöne Städtchen Schongau, das wir nur streifen, da wir den Lechtalgasthof aufsuchen wollen, bleibt unentdeckt. Der Gasthof ist besetzt und telefonisch erreichen wir nur eine Pension weiter über Peiting hinaus in Lamprecht, ein hübsches bäuerliches Anwesen an der Straße mit Fremdenzimmern. Hier bleiben wir zu Abend und haben auch keine Lust mehr zur Stadt zurückzufahren, zumal wir unser deftiges Abendbrot, mit "Spitzbub´" - das ist Romadur mit Zwiebel-Essig-Soße auch hier zum Braunbier einnehmen können. Dafür machen wir hier in ländlicher Umgebung noch einen kleinen Bummel auf die Höhe, von wo aus wir einen ersten Blick auf das Alpenpanorama und auch das erste und letzte Mal, wie es sich herausstellte den Blick auf die Zugspitze haben, denn ab morgen sind wir dann schon zu nahe am Gebirge dran und der Zugspitzblick bleibt verborgen.

Neunter Tag: Füssen, 49 km
Der Wirt berät uns freundlich über die Weiterfahrt und warnt uns vor den "saubrutalen" Steigungen auf dem eigentlichen markierten Radweg. Seine Empfehlung war dann auch radfreundlicher, denn es ging durch Weiden, Wiesen, Auen und an ruhigen Teichen vorbei nach Steingaden, wo wir eine dieser bereits erläuterten romanisch-barocken Kirchen besuchen und danach an die Hochlandkäserei geraten, die ganz Deutschland mit Allgäuer Käse-, Quark- und Milcherzeugnissen der "glücklichen" Kühe beliefert. Ein paar Spezialitäten aus dem Käsegeschäft gehen noch in unsere Packtaschen, um unterwegs zur Mittagsrast verzehrt zu werden. Diese findet auf einer wider Erwarten ruhigen Bank hinter der Wieskirche statt, die wir als Höhepunkt der Tour im wahrsten Sinne des Wortes auf 871 mNN erreichen. Es ist der höchste Punkt der gesamten Tour und wir stellen fest, daß uns die geringen Steigungen der letzten Tage von der Donau aufwärts bei dem ruhigen Herbstwetter ohne nennenswerten Wind kaum aufgefallen sind. Die Wieskirche, als reinste Rokoko-Kirche Deutschlands besticht durch ihr einmaliges gewölbefüllendes Deckenfresko und die Fülle der Plastiken und Gemälde, die den Kirchenraum zieren. Ein Magnet für Kunstinteressenten ersten Ranges, sowie Touris aus aller Welt (besonders aus Japan!). Von hier radelt es sich leicht und schnell wieder hinunter ins Lechtal, immer das Alpenpanorama vor Augen dem absoluten Höhepunkt der Tour zu, dem Märchenschloß Ludwigs II. von Bayern, dem Schloß Neuschwanstein. Auf steiler Felsklippe steht es vor der Kulisse der Berge der Allgäuer Alpen hochaufragend. Wir wählen natürlich nicht die Touristenauffahrt, sondern den Aufstieg durchs wildromantische Pöllattal hinter dem Burgfelsen. Die Räder bleiben natürlich unten stehen, denn es geht über Treppen und Felsgalerien, angesichts wilder Wasserfälle und Klippen dem Gipfel zu. Das neoromanische Prunkschloß des vorigen Jahrhunderts besichtigen wir nicht, steigen aber noch zur Fotobrücke über das Pöllattal, um auch eines der "Starfotos" vom Schloß zu schießen. Dann genügt uns der Rummel und wir verschwinden genauso umweltfreundlich wieder hinter dem Berg, wie wir gekommen sind und überlassen das romantische Traumgebilde den Bus-Touristen. Die Radwege auf dem Bahndamm und durch herbstliche Wälder führen uns noch am älteren Schloß Hohenschwangau vorbei und bei schon abendlicher Sonne fahren wir in Füssen ein, wo es so eng zugeht, daß wir nicht einmal die Räder auf dem Fußweg ungehindert schieben können. Unser bestelltes Quartier liegt in Bad Faulenbach, wo ein Niederländer uns aufs Beste bewirtet und wir auf dem Balkon des Alpenhauses den Bergblick und die Abendsonne genießen. Von Füssen selbst bekommen wir nur noch die erleuchteten Gebäude, die Kirche und das Hohe Stadtschloß mit, bevor wir in den Römerkeller zum Essen und König-Ludwig-Bier einreiten. Der Höhepunkt der Romantik ist erreicht und wir sind stolz auf unsere Leistung und den Entschluß, die Tour nicht abwärts gefahren zu sein, denn die Steigerung der Eindrücke war eindeutig nur in dieser Richtung zu erleben, zumal das Wetter prächtig mitgespielt hat!
Zehnter Tag: Rückfahrt nach Würzburg mit Bahn und "SWT" (Schönes Wochenende Ticket)
Der Doppeltriebwagen der Bahn ist heute zum Sonnabend dicht besetzt, aber wir haben unser Fahrgerät und das Gepäck verstaut und fahren gemütlich abwärts. Die Gedanken schweifen zurück und lassen das Erlebte Revue passieren. Man hätte hier und da besonders in Füssen noch ein zwei Tage mehr verbringen können, um noch einige Abstecher mit wenig Gepäck in die Berge zu unternehmen, auch hier und da im Stadtgetümmel unterzutauchen, oder weitere kulturhistorische Höhepunkte anzusteuern.
Wir verbringen nach dem anstrengenden Umsteigen in Augsburg und Treuchtlingen und Fahrten in leeren Städteexpress-Zügen den restlichen Tag in Würzburg, um wenigstens noch das Stadtfest auf der Marienbrücke mitzuerleben und fahren am nächsten Morgen mit den Rädern auf dem Dach wieder Richtung Heimat davon.

Gerald Hummel, Chemnitz, 1998

« zurück zur Übersicht | nach oben