Logo ADFC01KontaktImpressum
Wir treten für Radfahrer ein, tretenSie mit!
Logo ADFC02 Fahrraeder



  c
Startseite

Radtouren '03

Radrouten
Radurlaub

Geschäftstelle
Mitglied werden
Verein

Nützliche Links
Landesverband
Bundesverband


 

 

 

»Radwandertour Unterelbe

Allgemeine Bemerkungen
Die Tour war konzipiert als Elbe-Radtour entlang der Radwanderwege Cuxhaven-Hamburg und Hamburg-Schnackenburg. Aus der Tatsache heraus, daß in unseren Breiten gewöhnlich Westwindrichtungen vorherrschen, fuhren wir die Tour von Cuxhaven nach Schnackenburg, um die zu erwartenden starken Winde in dieser Jahreszeit als vorwiegenden Schiebewind nutzen zu können. Leider ging die Rechnung nicht auf, denn es herrschte die Woche ein starker SSW-Wind vor, der uns als starker Kantenwind genauso viel Mühen einbrachte wie Gegenwind.

Die Ausschilderung der Radwege zumindest des ersten Teiles von Cuxhaven nach Hamburg war so mangelhaft, daß wir den Weg des öfteren verfehlten, uns dann sowieso mehr an den Elbdeichen orientierten, denn wir wollten ja eine Elbetour machen, und schließlich gänzlich auf den Radweg verzichteten. Mag sein, daß die Planer die beruhigten Deichzonen und Vogelschutzgebiete meiden und ihre Wege ins Innere des Landes verlegen mußten, mag auch sein, daß sie andere Sehenswürdigkeiten oder gastronomische Einrichtungen anlaufen wollten, wir jedenfalls wollten Natur erleben und dazu die Deichwege benutzen. Diese gingen auch außer im Stadtgebiet Hamburg-Harburg überall durchgängig zu befahren. Wir fanden aber leider sehr wenige Rastplätze oder einfach nur Bänke vor, auf denen man hätte rasten können. Als Unterstellmöglichkeiten vor gelegentlichen Regenschauern gab es bestenfalls hier und da nur Buswartehäuschen. Unterkünfte sind ebenfalls nicht so dicht gesät wie in bayrischen oder hessischen Gefilden z.B. und außerdem teuer, so daß wir uns an Jugendherbergen orientierten, die wir allerdings auch Tag für Tag vorher bestellt hatten, denn es stellte sich heraus, daß selbst diese in Niedersachsen wegen Projekttagen der Schulen bereits ausgebucht waren.

So mußten wir auf schleswig-holsteinische Herbergen ausweichen und dazu immer das Elbufer wechseln, denn die genannten Radwege führten auf südelbischen also niedersächsischen Ufern entlang. Schwierig wurde es dabei südlich um Hamburg herum, denn die Radwege enden bzw. beginnen in Hamburg und die Stadt wollten wir meiden. Also mußten wir einen großen Bogen bis in die Nordheide schlagen, um den lebhaften Verkehrswegen um und zur Stadt auszuweichen. Wir fanden aber ruhige Wege durch die Harburger Schwarzen Berge und das Seevetal, um hinter Hamburg wieder das schöne und ruhige Elbufergebiet zu erreichen. Hier führte auch der Radweg wieder enger am Fluß entlang, aber trotzdem orientierten wir uns weiterhin an den Deichwegen und später an der Elbuferstraße, als die Landschaft hügeliger wurde und die Deiche nicht mehr befahrbar bzw. auch nicht mehr vorhanden waren. Doch nun zur Beschreibung der Etappen im einzelnen.

Erster Tag: Rund um Cuxhaven, 56 km
Die Jugendherberge in Duhnen, dem Seebad Cuxhavens, liegt unweit des Strandes an der Wattenküste der Nordsee, gegenüber der Insel Neuwerk, die mit Wattenwanderungen und Kutschfahrten während der Ebbe erreicht werden kann. Aber die Ebbe war zu der Zeit früh und abends um 9 Uhr gewesen und es fanden keine Wattenwanderungen statt. Wir nutzen die Zeit für eine Rundfahrt um Cuxhaven, am Deich nach Süden, in die Marschenlandschaft im Landesinneren und über Lüdingworth mit seinem mächtigen "Bauerndom" nach Altenbruch an den Elbedeich. Dieser ist hier und wie wir weiter flußaufwärts feststellen erst in den letzten Jahren auf 8m Höhe aufgestockt worden, da Hochwasser von Sturmfluten bereits 6,5 m erreicht hatten. Die Fahrtrinne der Seeschiffahrt nach Hamburg führt dicht am Südufer der hier etwa 30 km breiten Elbemündung vorbei und wir lassen einige Schiffe passieren, sehen dabei die riesigen Windparks am Nordufer der Elbemündung, die im Kaiser-Wilhelm-Koog bereits Brutgebiete der Vogelwelt verdrängt haben. Noch nachdenklicher stimmen uns aber die größten der Schiffe, die mit fernöstlichen Namen versehen tausende Container mit Erzeugnissen täglich aus dieser Region nach Europa bringen. Was werden sie auf dem Rückweg wohl geladen haben, ob die Container vielleicht leer sind, um einen neuen Schwung Billigartikel zu holen, die die europäische Produktion ersticken und noch mehr Arbeitslose produzieren helfen? Nun, die demokratisch gewählten Regierungen werden tatenlos und unfähig zusehen müssen, wie das Großkapital die Produktion immer mehr in Billigländer verschachert!

Der Weg auf dem Deich führt durch Schafkoppeln zurück in das Hafengelände Cuxhavens wo stillgelegte Gleisanlagen und umgenutzte Fischverarbeitungsfabriken vom einstigen Hauptzweck dieser Anlage zeugen. Heute riecht es hier unter anderem nach Gummibärchen.

Am alten Fischereihafen vorbei, wo gerade ein Volksfest läuft, gelangen wir an die "Alte Liebe", an der Seebäderbrücke und dem Fährhafen vorbei an den anschließenden Badestrand, der etwa zwei Stunden lang am Tag bei Flut als solcher genutzt werden kann. Der Döse-Deich, wie er nach dem Ortsteil dahinter genannt wird, ist gepflegt und voller Spaziergänger, und hinter der sogenannten Kugelbake am nachfolgenden Badestrand kostet es Eintritt für Zufallsgäste, der Kurkarteninhaber hat freien Zutritt. Sonst muß er hinter dem Deich bleiben und ihm ist die Aussicht nur an der Deichgaststätte erlaubt. So ergeht es auch Radfahrern, deren Weg hinter dem Deich entlang führt. Erst am Abend, wenn die vielen Aufsichtspersonen an den Strandzugängen nach Hause gehen, wird die Seele wieder frei vom Kommerz und kann den Krabben im Watt zuschauen, wie sie bei Ebbe um das Überleben kämpfen. Diese Küste ist also nicht mein Ding.

Zweiter Tag: Glückstadt 73 km
Nach dem Frühstück geht es noch einmal am Deich entlang zur Kugelbake und durch Hafenanlagen zu den Schleusen und Sperrwerken, die Zuflüsse vor den Gezeiten und eventuellen Sturmfluten schützen. Nur in Altenbruch hat ein Deichbauer seine Schafkoppel so gänzlich abgeriegelt, daß man nicht einmal zu Fuß hindurch gekommen wäre. Das war aber eine Ausnahme auf dem weiteren Weg. Allmählich verschwinden hinter uns die Hafenanlagen von Cuxhaven und wir sind mit den Schafen am Deich und den Schiffen auf dem Fluß allein. Von Kilometer 730, von der Elbequelle aus gemessen, bis Schnackenburg haben wir nur ca. 255 Flußkilometer zurückzulegen, aber wir werden etwa auf das Doppelte kommen. In Otterndorf passieren wir die Schleuse des Flüßchens Medem. Ein Denkmal für die Deicherbauer erinnert an die letzten Handschläge für die jüngste Erhöhung der Deiche vor wenigen Jahren. Vor dem Ostesperrwerk versperrt uns das Natureum, ein Naturreservat an der Flußmündung zunächst den Weg, aber auf einem urwaldartigen Umgehungspfad erreichen wir die Schleuse doch noch, wo wir bei Flut erleben, daß der Fluß landeinwärts "strömt". Eigentlich hatten wir vor, den "Deutschen Olymp" (Höhe 56m NN!) im Wingst (übrigens mit einer Jugendherberge) zu "erklimmen" und uns danach der historischen Schwebefähre über den Ostefluß zuzuwenden, aber wegen der fortgeschrittenen Zeit wählten wir doch den Weg am Elbdeich entlang durch das Kehdinger Marschenland. Immer wenn wir einmal auf den Deich hinauffahren, sehen wir am anderen Ufer die Anlage des modernen Kernkraftwerkes Brunsbüttel, aber auch etwas landeinwärts die hohe Autobahnbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal, die mit fast 40m Durchfahrtshöhe den Ozeanriesen die Passage ermöglicht. Von Wischhafen, dem Fährort über die hier vielleicht noch 3 km breite Elbe müssen wir die Autofähre nach Glückstadt nehmen. Die vier Fährschiffe, die unterwegs sind, sind gut besetzt, vor allem mit LKW´s, denn es ist die erste Möglichkeit die Elbe zu überqueren. Die Jugendherberge im Ort ist ein stilvolles, norddeutsches Hallen-Bauernhaus und ganz für uns allein da. Wir können die Sachen trocknen, die beim jüngsten Regenguß naß geworden sind und fühlen uns pudelwohl.

Dritter Tag: Buxtehude, 68 km
Wir erfuhren von der Herbergswirtin, daß das Bauernhaus auf einer "Warft" steht, das ist ein Erdhügel hinter dem Deich, der dem Bauernhaus einen gewissen Schutz vor Überflutungen bietet. Es ist der holsteinische Ausdruck, südlich der Elbe sind dies die "Wurthen", auf denen die niedersächsischen Gehöfte der Deichbauern besonders im Kehdinger Land liegen. Aus früheren Bekanntschaften mit der Elbelandschaft erinnern wir uns an ähnliche Gehöfte in der Altmark und am Rande der Dübener Heide, da hier auch nicht immer Deiche den Schutz des Hinterlandes ermöglichen. Das Städtchen Glückstadt hat alte Traditionen als zeitweilige Residenz dänischer Könige, besonders Christians IV. Nach der Rückfahrt mit der Fähre auf die niedersächsische Seite passieren wir, wieder mal den ausgeschilderten Radweg ignorierend, die Schleuse nach dem Krautsand, einer Schwemmsandinsel in der Elbe, die ein besonders ruhiges, idyllisches Stückchen Erde ist. Doch bald, am Ende des Krautsandes werden wir wieder in die Realität zurückgeholt: das Kernkraftwerk Stade, ein Elektrizitätswerk und eine Ölraffinerie stehen vor uns in ihrer vollen irdischen Häßlichkeit. Landeinwärts gewandt kreuzen wir nur noch die Hochspannungsleitungen des Umspannwerkes, spüren nicht, daß wir den tiefst gelegenen deutschen Ort mit -2m NN, Bützfleth, passieren und lassen uns von der überraschenden Schönheit des mittelalterlichen Städtchens Stade gefangennehmen. Hier sollen ja unter anderem im 3.-4. Jhd. die "Ursachsen" beheimatet gewesen sein. Aber außer ein, zwei Pensionen die Widukinds Namen tragen, des sächsischen Herzogs, der sich viel später der Christianisierungswut Karls des Großen unterwarf, deutet nichts mehr auf diese hin. Ich glaube sogar, selbst die Niedersachsen wissen nicht mehr, warum sie so heißen! Die gut erhaltene Fachwerksubstanz aus dem 16.Jhd., der hölzerne Verladekran am Schwedenspeicher, die alte Stadtkirche und ein Brunnen vom "Fischer und sin Fru" am preußischen Postamt sind schöne Eindrücke aus alter und neuer Zeit. Wir verlassen Stade wieder in Richtung Elbeufer und tauchen ins größte deutsche Obstanbaugebiet, das "Alte Land (der Sachsen!)" ein. Riesige unüberschaubare Obstplantagen bedecken das flache Land, vorwiegend Apfelbäume stehen unter der Last ihrer Früchte. Ob man sie wohl alle wird ernten können? In Hollern-Twielenfleth liegt ein Exote an der Landungsbrücke, der Mississippi-Raddampfer "Louisiana-Star", mit dem Kreuzfahrten auf der Elbe unternommen werden. Sein großes rotes Schaufelrad am Heck und die vier Schornsteine unterscheiden ihn so sehr von den auf deutschen Flüssen gewohnten Raddampfern, aber es ist schon eine Augenweide, ein solches Schiff im strahlenden Sonnenschein betrachten zu können. Über den Obstmarschenweg erreichen wir das Urlauberstädtchen Jork mit seinen herrschaftlichen niedersächsischen Bauernhäusern, mit reich verzierten Fachwerkgiebeln, weißen Holztoren davor oder Säulenportalen an den Haustüren. Das ganze Alte Land scheint etwas reicher zu sein durch sein Obst als andere Elbuferabschnitte, die wir kennenlernten. Leider ist die Hauptstraße von einem solch dichten Verkehr belegt, daß man sogar auf dem Fahrrad so schnell als möglich wegzukommen versucht. Vor dem Este-Stauwerk wenden wir uns nach Süden Richtung Buxtehude, wo wir ein preiswertes Privatquartier gebucht haben. Durch Estebrügge, einem sehr schönen nicht nur wegen des Namens flämisch anmutenden Fachwerkstädtchen, fahren wir am Este-Fluß entlang in Buxtehude ein, den Petridom schon lange vor Augen und ein auf dem Berge stehendes modernes, die Silhouette nicht gerade aufwertendes Hochhaus. Wir müssen die modernen kreuzungsfreien Verkehrsanlagen der B73 überwinden und finden dank eines in Stade erworbenen Stadtplänchens gegen Abend endlich unser Quartier zu Füßen des genannten Hochhauses auf dem Berge. Der Abend reicht nur noch zum Essen gehen in ein nahegelegenes, von der Wirtin empfohlenes Restaurant.

Vierter Tag: Buchholz/Holm, 56 km
Wir frühstücken gut und familiär im Kaminzimmer der Villa eines Kunstprofessors unter Reliefs von "Tristan und Isolde" und "Io auf dem Stier" - Wagner´sche und altgriechische Romantik an den Wänden und im Treppenhaus - einmal etwas anderes als moderne Zweckeinrichtungen moderner Jugendherbergen! Von der Witwe des Kunstprofessors herzlich verabschiedet, wollen wir noch der Stadt einen Besuch abstatten, aber wie so oft verstellt rühriges Markttreiben die prägnantesten Ansichten einer Stadt am Morgen, so daß wir zunächst einmal wieder der Ruhe der Elbauen zustreben, diese aber an einem Hamburger Ortsschild schon nicht mehr erreichen und uns am Brackwasser der "Alten Süderelbe" wieder gen Süden wenden, um das Stadtgebiet Hamburg-Harburgs zu umfahren. Wir streifen aber zwangsläufig noch den S-Bahn- und Straßenknotenpunkt der Stadt und . es beginnt wieder einmal heftig zu regnen. Aufwärts in die Harburger Schwarzen Berge und den Rosengarten müssen wir in und durch dichten nassen Wald fahren, bevor wir ganz unverhofft im dichtesten Abschnitt eine Schutzhütte für das Mittags-Picknick finden. Die trockene, sicher gemütlich beheizte Waldgaststätte am Waldrand war uns zu teuer, für betuchte Rentner aber wohl gerade richtig! Uns schmeckte es auch in der Waldhütte. Abwärts vom 150m hohen Ganna-Berg mit Fernsehsender rollen wir nun wieder regenfrei über das Buchholzer Autobahndreieck in die Nordheide nach Holm, wo wir ein bestelltes Pensionszimmer als einzige Gäste des Hauses beziehen. (Vier Kilometer weiter liegt die Jugendherberge Inzmühlen, die aber auch leider ausgebucht war)

Fünfter Tag: Geesthacht 68 km
Nach gutem Frühstück begeben wir uns wieder auf Fahrt in das Tal des Flüßchens Seeve, das uns an seinen Ufern wieder zur Elbe führt. Doch zuerst geht es durch das anmutige Fachwerkstädtchen Jesteburg, dann überqueren wir zwei Autobahnkreuze und den größten deutschen Rangiergüterbahnhof in Maschen. Er besteht, wie wir von der Straßenbrücke über die riesige Anlage aus feststellen können, aus einem alten nicht mehr benutzten Teil mit schätzungsweise 25 bis 30 Gleisen und einer neuen ebenso mächtigen Anlage, die einen erhöhten Abrollberg für die zu trennenden Güterzüge besitzt. Wie von Geisterhand gesteuert, rollen verschieden lange Wagengruppen vom langsam geschobenen Zug ab und rollen auf das für sie bestimmte Gleis, die nächste Gruppe auf ein anderes Gleis, wo sie abgebremst und an einen neuen Zug angekoppelt wird. Faszinierend dabei, daß sich kein Mensch sehen läßt, nur der Dispatcherturm scheint besetzt zu sein, um die Anlage zu steuern. In wenigen Minuten setzt die Rangierlok zurück und das Gleis ist für den nächsten Zug frei. Allerdings entsteht der Eindruck, daß die Anlage etwas überdimensioniert ist, denn es sind nicht allzuviele Güterzüge zu bedienen. Die Großstadt Hamburg hat uns wieder ihre Lebensadern gezeigt und wir wenden uns ruhigeren Gefilden zu, die wir an der eingedeichten unteren Seeve finden. Hier sehen wir an einem Brackwasser, das als Vogelschutzgebiet mit Aussichtskanzel eingerichtet ist, eine ganze Kolonie Kormorane, die wir sonst nur mal einzeln auf einer Buhne sitzend beobachten konnten. An der Seevemündung haben wir auch den Elbdeich wieder und folgen ihm nach Winsen /Luhe, wo wir nach einem Kaffee in der Stadt noch in ein Rad einen neuen Bremsbowdenzug einbauen müssen. Weiter am Deich überrascht uns heftiger "irischer" Regen und das schutzbringende Buswartehäuschen kommt zu spät vorbei, wir sind bereits nass. Wir erreichen die Jugendherberge und lassen Heizung kommen, um unsere Sachen zu trocknen. Da der Regen nicht aufhört und die nächste Gaststätte zu weit entfernt ist, lassen wir uns telefonisch vom Pizzaservice bedienen, der uns auch noch die zweite Flasche Wein gratis mitliefert. So ist auch dieser verregnete Abend gerettet!

Sechster Tag: Lauenburg, 55 km
Da die heutige Etappe nur etwa 15 km lang wäre, wenn wir Lauenburg auf der B5 direkt ansteuern würden, machen wir einen Abstecher in Richtung Lüneburger Heide. Die Route führt nach Süden, dem heftigen Gegenwind, nach wie vor kräftig von SSW, entgegen. Wir passieren zunächst die einzige Elbeschleuse auf deutschem Gebiet, eine Anlage zum Abschotten gegen die hier noch wirksamen Gezeiten und gelegentliche Hochwasser bei Sturmfluten von der Nordsee herauf. Außerdem zweigen elbaufwärts zwei größere Kanäle ab, der Elbe-Seitenkanal nach Süden und der Elbe-Lübeck-Kanal nach Norden, die ein gewisses konstantes Niveau benötigen. Am nördlichen Elbufer bilden sich mittlerweile hüglige Landschaften heraus, die sich von den südlichen Marschenlandschaften, die wir durchfahren, deutlich abheben. Gegenüber des dritten Kernkraftwerkes auf unserer Tour, des KKW Krümmel wenden wir uns nach Süden in Richtung Bardowick und Lüneburg. In St. Dionys werden wir bereits mit einer Gründung Karls des Großen konfrontiert, der hier auf Sachsenmission unterwegs war. In Bardowick steht zwar einer der vier berühmten "Löwendome", die mit Heinrich dem Löwen in Verbindung stehen, aber uns interessierte mehr eine im starken SSW-Wind laufende Windmühle, in der noch mit Windkraft gemahlen wird und wir die gut gepflegten hölzernen Getriebe bis hinauf besichtigen und erleben konnten. Im Moment wurde aber nur der Generator angetrieben, der bei durchschnittlich 5 m/s Windgeschwindigkeit ganz schön auf Touren kam. Lüneburg wäre auch einen Abstecher wert gewesen, aber die Zeit war zu knapp, um sich ausgiebig in der gut erhaltenen Fachwerkstadt länger umzusehen. Also ließen wir uns vom Schiebewind zum größten deutschen Schiffshebewerk nach Scharnebeck am Elbe-Seitenkanal blasen. Mit 38 m Hubhöhe befördert es in zwei Trögen unabhängig voneinander die größten genormten Euroschiffe auf und ab. In einem Unterstellhäuschen warten wir noch einen mächtigen Regenguß ab, bevor wir uns auf Schiebekurs am Kanal entlang wieder dem Wind anvertrauen und bei Artlenburg die Elbe erreichen. Wieder dreht sich hier eine Windmühle, was uns überrascht, denn vor Jahren war sie noch in schlechtem Zustand. Und tatsächlich machte sie einen Probelauf für die am folgenden Tag bevorstehende Weihe anläßlich des Tages der deutschen Einheit. Ein niedersächsischer Windmühlenverein hatte sie wieder zum Leben erweckt. Eine erfreuliche Sache, außer den tausenden modernen Windkraftwerken auch hier und da wieder eine alte richtige Windmühle laufen zu sehen! Das Städtchen Lauenburg empfängt uns in seiner historischen Altstadt recht ruhig - wir kannten es vor ein paar Jahren belebter - und auf schlechten Altstadtstraßen finden wir am entgegengesetzten Ende auf dem Berg, wo auch sonst anders, die Jugendherberge. Ich glaube, Jugenherbergen sind immer auf dem Berg, wie es schon der Name in sich birgt! Es ist wie verhext, man ist sauer vom Radfahren und muß zuletzt immer noch einen Berg erklettern, um in sein Ruhebett zu gelangen! Der Abend ist wie immer nach kurzem Abruhen einem kleinen Rundgang mit Abendessen vorbehalten.

Siebenter Tag: Hitzacker, 65 km
Am Morgen statten wir nach dem guten Herbergsfrühstück dem ehemaligen Schloß Lauenburg, das auf dem Hügel der slawischen Ertheneburg erbaut wurde, einen Kurzbesuch ab. Überhaupt war die Elbe hier wohl etwa bis Hamburg die Grenze der slawischen, hier genauer der obotritischen Stämme zu den südlich der Elbe lebenden Sachsen. Im Jahre 929 hat König Heinrich I. bei Lenzen die Elbeslawen geschlagen und das slawische Brandenburg unter seine Herrschaft gebracht. Lange Zeit bis in die Gegenwart nannte sich diese Gegend noch "Sächsisches Herzogtum Lauenburg", was sich auch in Fahne und Wappen widerspiegelt Bei Lauenburg zweigt der Elbe-Lübeck-Kanal ab, der schon 1900 eine Schleuse in so großen Dimensionen erhielt, daß sie bis heute den Ansprüchen der Kanalschiffahrt genügte. Sie ist die älteste Schleuse Europas, soll aber zu ihrem Hundertjährigen von einer modernen Schleusenanlage ersetzt werden. So verkündet es eine Tafel in der Nähe der Schleusenkammer, in die gerade eine Doppelschubeinheit einfährt. Aber da noch keinerlei Bautätigkeit zu verzeichnen ist, scheint dieses Projekt wohl nicht mehr so im Vordergrund zu stehen. Wir rollen über die Elbebrücke auf das Südufer und im gleichen Moment legt am Kai der Museumsraddampfer, die "Kaiser Wilhelm" ab, die an Wochenenden regelmäßig seit nunmehr fast dreißig Jahren hier auf der Elbe bis Bleckede und zurück verkehrt. Später erfahren wir aus dem Fernsehen, daß das in Dresden gebaute Schiff 70 Jahre auf der Weser verkehrte und in diesen Tagen gerade seine 100-ste Saison vollendet hat. Ein ehrenamtlicher Verein pflegt und betreibt den Veteran mit viel Energie und Muskelkraft, denn das Schiff wird nach wie vor original mit Kohle befeuert. Bis zu 350 Personen kann es an den Wochenenden auf die Tour mitnehmen, heute sind es zum Ausklang der Saison nicht mehr so viele, aber wir begleiten es durch den Elbufer-Naturpark bis Bleckede. Das Saisonende verkünden auch die in kleinen Gruppen auftretenden pfeilförmigen Formationen der Wildgänse, die zum gemeinsamen Flug nach Süden sammeln. Ab und zu fliegt auch ein Graureiher auf, der in den ruhigen Uferzonen zu Hause ist. Allmählich wird jetzt auch das südliche Ufer hügliger, so daß die Deich verschwinden und die Elbuferstraße etwas landeinwärts führt. Kurz vor Hitzacker, unserem heutigen Jugendherbergsziel steigt es sogar mit 13% auf den 86 m hohen Kniepenberg, von dessen Aussichtsturm sich ein weiter Blick die Elbe entlang und ins gegenüberliegende Marschenland bietet. Kurz vor Hitzacker erreichen wir ebenfalls nach einer 13%igen Steigung die Jugendherberge, natürlich wieder auf der Höhe!

Achter Tag: Schnackenburg, 75 km
Heute wollen wir das Ziel unserer Tour erreichen. Die Elbe macht einige Schleifen, so daß wir es im Wechsel mit Schiebe- oder Gegenwind zu tun haben. Die Deichwege führen durch hohen Auenwald, über ruhige Weiden immer wieder auch hier durch Schafherden hindurch, die zwischen den Wiesenchampignons friedlich grasen und erstaunt aufblicken, wenn wir daherkommen. Es ist eine ruhige, friedliche Gegend, man passiert Grenzgebiet zur ehemaligen "Zone", bei Dömitz dominiert die kühn geschwungene Tragekonstruktion der neuen Elbebrücke, dahinter die auf "DDR-Seite" abgebrochene Eisenbahnbrücke, die mit vielen Bogen am Südufer noch bis an das Ufer reicht. Es ist sogar eine bedrückende Ruhe, heute, am Tag der deutschen Einheit. Man spürt nicht mal mehr das letzte Aufbäumen gegen das Atommüllendlager Gorsleben, das wir in sonntäglicher Stimmung passieren. Zweimal lassen wir uns wieder von der eigenwilligen Radwegführung von den Deichen ablenken, verpassen einige in Elbnähe liegende alte Burgwälle (slawische, im südelbischen Wendland?) und haben Mühe, uns wieder zur Elbe durchzuschlagen. An der Funkstelle Höhbeck mit ihren riesigen Funkmasten, überbrückt wieder eine Autofähre die Elbe, drüben steht ein Wachturm der Zonengrenze und dahinter der bereits genannte Schlachtenort Lenzen. Auf ebenso ruhigem Deichgelände wie zuvor erreichen wir Schnackenburg am Kilometer 475 des Elbelaufes, einen hübschen Ort mit preiswerter Pension, wo wir uns einquartieren. Die kräftige Abendsonne beleuchtet den Seglerhafen in der Aland-Mündung, und die immer größer werdenden Gruppen von Wildgänsen scheinen hier im dahinter gelegenen Waldgebiet ihren Treffpunkt zu haben. In bereits großen Formationen vollführen sie in großen Kreisen am Abendhimmel laut schnatternd ihre Übungsflüge, bevor sie vielleicht morgen oder übermorgen die große Reise antreten. Am Ufer vor dem Deich schart sich mittlerweile die Dorfbevölkerung um das hell auflodernde Freudenfeuer, das aus Tradition an jedem 3.Oktober hier entfacht wird, als Erinnerung an die Begegnungen in den Tagen der Grenzöffnung, wo viele Feuer auf beiden Ufern brannten. Heute fährt sogar die Fähre länger bis in die Nacht hinein, um die Gäste vom anderen Ufer wieder nach Hause zu befördern, wenn das Feuer erloschen ist. Ein schöner, besinnlicher Abschluß einer erlebnisreichen Radtour durch deutsche Lande!

Gerald Hummel, Chemnitz, 1999

« zurück zur Übersicht | nach oben